Ohrakupunktur

Wichtige Indikationen der Ohrakupunktur

Neben der Körperakupunktur und der chinesischen Arzneimitteltherapie steht uns mit der Ohrakupunktur ein weiteres sehr wirksames Therapieverfahren zur Behandlung von akuten und chronischen Erkrankungen und Schmerzzuständen in der TCM zur Verfügung.

Wie unten aufgeführt hat der französische Arzt Paul Nogier die Ohrakupunktur in Europa wiederentdeckt und stellte dieses Behandlungsverfahren durch seine bahnbrechenden Erkenntnisse ab 1950 auf ein wissenschaftliches Fundament. Mit dem von ihm entdeckten und einige Jahrzehnte später wissenschaftlich belegten sogenannten „RAC“ gibt es eine objektive und reproduzierbare Methode zum Auffinden der pathologischen Punkte am Ohr des Patienten.

Die wichtigste Indikation für die Ohrakupunktur besteht in der Schmerztherapie. An erster Stelle stehen hier vertebragene, also von der Wirbelsäule kommende,  Schmerzzustände. Aber auch andere akute und chronische Schmerzerkrankungen aus den Fachgebieten der Neurologie (z.B. verschiedene Migräneformen), Orthopädie (z.B. Schulter-, Knie- und Hüftgelenksschmerzen bzw. Arthrosen, rheumatische Erkrankungen) und Gynäkologie (z.B. Dysmenorrhoe, hormonelle Migräne, Endometriose) u.v.a. (siehe Indikationen) lassen sich mit der Ohrakupunktur sehr gut behandeln.
Eine weitere besondere Indikation für die Ohrakupunktur besteht in der Behandlung von chronischen Entzündungen. Hier stehen an erster Stelle chronisch-rezidivierende Nasennebenhöhlenentzündungen sowie Tonsillitiden und Bronchitiden aber auch Zahnherde.
Chronische Entzündungsherde gelten in der TCM als sog. Störherde, diese binden oder führen zu Verlust von Energie und somit zu einer Schwächung des Immunsystems. Solche Störherde (z. B. auch Narben, Darmaffektionen, Gelenkblockierungen, Amalgambelastungen,) lassen sich mit der Ohrakupunktur und RAC-Methode gut diagnostizieren, benötigen aber je nach Chronizität bzw. Dauer der Erkrankung oftmals einen längeren Behandlungszeitraum. Meist ist es dann auch sinnvoll, andere Methoden der TCM wie chinesische Arzneitherapie sowie Körperakupunktur zu kombinieren.

Geschichtlicher Überblick

Bereits im 4. Jhd vor Christus versuchte Hippokrates (Insel Kos, Griechenland) Impotenz durch Aderlaß am Ohr zu heilen.  Auch in  Persien und Ägypten wurde Ohrakupunktur bereits vor 2000 Jahren zur Linderung von Schmerzen  angewendet.

In China waren zur Zeit der Tang-Dynastie (618-907 n. Chr.)  20 vordere und 20 hintere Ohrpunkte bekannt. Im Gegensatz zur Körperakupunktur und chinesischen Arzneimitteltherapie wurde die Ohrakupunktur jedoch in China über die folgenden Jahrhunderte nicht signifikant weiterentwickelt.

Der französische Arzt Paul Nogier (Lyon, 1908-1996) begann ab 1950, die Ohrakupunktur systematisch zu erforschen. Im fiel bei einigen seiner arabischen Patienten eine seltsame Narbe an einer bestimmten Stelle der Ohrmuschel auf. Bei diesen war wegen einer Lumboischialgie eine Kauterisation (Gewebezerstörung durch glühenden Eisenstab) im Bereich der Anthelix durchgeführt worden, was innerhalb von Minuten bis Stunden zum Nachlassen der Schmerzen geführt hatte. Er versuchte sich selbst erfolgreich in der Kauterisation, ersetzte die Methode jedoch schon bald durch das Stechen von Nadeln, was den gleichen Erfolg hatte ohne bleibende Narben zu hinterlassen. Nach drei Jahren erkannte Nogier den Zusammenhang zwischen der Wirbelsäule und ihrer umgekehrten Projektion auf die Anthelix des Ohres. In der Folgezeit entdeckte Nogier, daß alle Organe des Körpers am Ohr repräsentiert sind. 1956 veröffentlichte er seine Erkenntnisse bei  einem Vortrag in Marseille, der 1957 in Übersetzung in der „Deutschen Zeitschrift für Akupunktur“ erschien. 1968 fand Nogier heraus, daß sich bei Reizung gestörter Ohrzonen die Pulswelle (z.B. der Handgelenksarterie) charakteristisch verändert und nannte dies „Reflex auriculocardiaque“ (RAC) . Durch dieses auslösbare Phänomen wurde das  Problem der Detekton der relevanten Punkte am Ohr gelöst. Damit war der entscheidende Durchbruch für die Entwicklung einer objektiven und sicheren Methode zur Lokalisation und damit Therapie der „pathologischen“ Ohrpunkte erzielt.

Die Chinesen erkannten Nogiers Forschungserkenntnisse an und integrierten dieses Therapieverfahren in die Traditionelle Chinesische Medizin. Jedoch fand die Überprüfung, Weiterentwicklung und Modifikation der Ohrlokalisationen in Europa schneller statt als in China. Hier verharrte man länger auf den ursprünglichen Erkenntnissen, die in Europa rasch modifiziert wurden. Auch  wurde in der Chinesischen Schule die RAC-Tastung zur Punktlokalisation (bis heute) nicht verwendet. Diese getrennte Entwicklung führte teilweise zu divergenten Angaben zur Lokalisation gleicher Punkte am Ohr. (Chinesische und französische Punkte)